Von Infrastruktur zu Infrazensur: Was passiert, wenn Internet-Infrastruktur in Inhalte eingreifen?

Marlene Straub, Philipp C. Otte, Felix Kröner

Summary
Spätestens seit des Deplatformings von Parler durch AWS wissen wir: 'neutrale' Internet-Infrastruktur übt enorme Macht über den Zugang zu Online-Inhalten aus, doch Eingriffe finden sogar noch tiefer im Stack statt. Zwischen DNS und Hostingdiensten diskutieren wir: wann darf Infrastruktur Content Moderation betreiben und wo müssen Grenzen verlaufen?
Workshop
German
Hands On

2021 verbannt Amazon den Microblogging-Dienst Parler wegen Gewaltaufrufen von seiner Cloud. 2022 entzieht Cloudflare dem Doxxing-Forum Kiwi Farms seine Dienste. Während das – vorübergehende – Aus beider Angebote normativ erfreulich ist, wirft Deplatforming netzpolitische Fragen auf.

Deplatforming bedeutet, dass Infrastrukturakteure durch Entzug ihrer Dienste wie Webhosting oder Content Delivery Inhalte vollumfänglich aus dem Internet verschwinden lassen, zumindest bis die betroffenen Anbieter andere Dienstleister beanspruchen. Nach der Logik des sogenannten Infrastructural Stacks sollte nur die oberste Schicht der Applications und Plattformen Verantwortung für Inhalte übernehmen, um so Eingriffe auf einzelne Inhalte oder Konten zu begrenzen und proportional zu halten. Bereits in diesem Kontext wird Plattform-Betreibern ein erheblicher Ermessungsspielraum zuteil, und die Wahrung von Grundrechten an private Betreiber ausgelagert. Wenn tiefergelegene Eingriffe zur Routine werden, eröffnen sich neue grundrechtliche Fragestellungen: Wie viel Spielraum erlauben wir privaten Infrastrukturdiensten? Kann der Eingriff auf Inhalte auf diesem Level legitim sein, und wenn ja, welche Prinzipien müssen wir aufstellen, um Grundrechte im Netz zu schützen?

Zunächst skizzieren wir in einem kurzen Impulsvortrag die Verantwortungsverteilung über Inhalte im Infrastructural Stack und markieren Spannungsfelder. Im Anschluss laden wir in einem Workshops dazu ein, interdisziplinär zu diskutieren und im Austausch weitere Fragen und Faktoren im Spannungsfeld von Grundrechten im Netz und der Macht privater Unternehmen zu identifizieren.

Ziel unseres Workshops ist es, ein Problembewusstsein für die Verlagerung von Content Moderation auf Infrastrukturebene zu schaffen. Unser Anspruch ist nicht, finale Antworten zu liefern, sondern Denkansätze zu sammeln, auf deren Basis wir gemeinsam neue Initiativen aufbauen können.