Diskursive Polarisierung um Klimaproteste: Wer polarisiert hier wen?

Michael Brüggemann

Summary
Unsere Inhaltsanalysen zeigen, dass mediale Debatten über die Letzte Generation stark polarisiert sind. Aggression und extreme Frames („Terroristen“ und „Kriminelle“) nehmen zu. Es ist eine asymmetrische Polarisierung, die von rechtspopulistischen Akteuren ausgeht, deren Deutungen der Journalismus und soziale Netzwerke weitertragen.
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Die Proteste der Letzten Generation (LG) werden häufig als polarisierend bezeichnet. Studien zeigen, dass disruptive Protestaktionen zwar nicht zwangsläufig zur Ablehnung von Klimaschutz führen, aber die Unterstützung für Klimaproteste schon stark zurückgegangen ist. Polarisiert die LG also die Debatte?

Der Vortrag präsentiert die Ergebnisse von automatisierten und manuellen Inhaltsanalysen, die journalistische Berichterstattung und die Debatten auf Twitter untersuchen und dabei die Kontroversen um Fridays for Future (FFF) und die Letzte Generation (LG) in den Jahren 2022 und 2023 vergleichen. Wir untersuchen, ob es zu diskursiver Polarisierung kommt, bei der eine kontroverse Debatte in aggressive Verbalattacken zwischen Gruppen untergeht.

Für ein Sample von 5 Millionen Tweets und 7000 Artikel wichtiger deutscher Print- und Online-Medien identifizieren wir moderate und extremere Perspektiven (Frames) und ob die Debatte aggressiv und mit negativen Emotionen verläuft.

Die Debatte um die LG zeigt sich stark polarisiert auf Twitter und in journalistischen Medien, die Debatte um FFF weniger. Der Diskurs um die LG ist negativer, die Interaktionen verlaufen vor allem online aggressiver. Extreme Frames, die Protestierende als "Terroristen" und "Mörder" bezeichnen, nehmen zu. Polarisierende Aussagen gehen aber primär vom Lager der Kritiker:innen aus.

Bei den klassischen Medien zeichnet sich ein ähnliches Bild ab: Beiträge zu FFF beziehen sich öfter auf das eigentliche Anliegen (Klimagerechtigkeit), während die LG im Kontext von Extremismus und Straftaten besprochen wird. Während nur rechts-populistische Medien so über FFF sprechen, so wird die Debatte über die LG in allen Medien aus dieser Perspektive geführt.

Verantwortlich für die Polarisierung sind klar identifizierbare politische Akteure mit rechts-konservativem Hintergrund – und auch der Journalismus trägt Verantwortung, wenn er die Frames rechter Populisten übernimmt. Wir sprechen von asymmetrischer Polarisierung, da die Aggression von einer Seite ausgeht. Die Aktionen der LG waren der Anlass, den politische Akteure genutzt haben, um durch polarisierende Statements den Diskurs insgesamt zu prägen.

Mitautor:innen der Studie: Hendrik Meyer, Mike Farjam, Louisa Pröschel, Helena Rauxloh, Michael Brüggemann