re:publica 25
26.-28. Mai 2025
STATION Berlin

„Cum/Ex läuft weiter“ – davon ist Anne Brorhilker überzeugt. Bei dieser Form schwerer Steuerhinterziehung lassen sich Banken und andere Investoren vom Finanzamt Kapitalertragssteuer erstatten, die sie nie gezahlt haben. Allerdings sei der international organisierte Steuerbetrug auch nach einer Gesetzesänderung im Jahr 2012 immer noch weit verbreitet. Das Verwirrspiel mit Aktien hat den Staat von 2006-2011 wohl mindestens zehn Milliarden Euro gekostet. Geld, das nun überall fehlt.
Obwohl die sogenannten Cum-Ex-Deals als größter Steuerraub in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gelten, werden diese illegalen Aktiengeschäfte verhältnismäßig wenig verfolgt und bestraft. Wegen ihrer Zweifel am politischen Willen zur Aufklärung warf Anne Brorhilker als ehemalige Cum/Ex-Chefermittlerin hin – und beantragte die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis. Seitdem setzt sie sich bei der Bürgerbewegung Finanzwende für faire, stabile und nachhaltige Finanzmärkte ein.
Auf der re:publica 25 wird die ehemalige Kölner Staatsanwältin uns einen Einblick in die Ermittlungsarbeit und den Umgang des Staates mit Wirtschaftskriminalität geben. Wer sind die Akteure auf Seiten der Finanzbranche, und wie ticken die Täter*innen? Welche Lobbys verhindern eine konsequente Strafverfolgung, und warum wird Steuerhinterziehung eigentlich so oft als Kavaliersdelikt gesehen? Was und welche Summen entgehen damit der Gesellschaft? Wie können wir die Justiz im Kampf gegen Steuerbetrug besser ausstatten und die Bekämpfung von Finanzdelikten konsequenter vorantreiben? Kurz: Was können wir alle tun, um politische Veränderungen und eine gerechtere Finanzwelt zu erreichen?
Als Geschäftsführerin und Leiterin des Bereichs Finanzkriminalität ist Anne Brorhilker bei der Bürgerbewegung Finanzwende eine zentrale Stimme in der öffentlichen Debatte um finanzielle Gerechtigkeit. Zuvor war sie über 20 Jahre bei der Staatsanwaltschaft Köln tätig. Seit 2009 bearbeitete sie dort schwere Fälle der Steuerhinterziehung, ab dem Jahr 2013 auch die Cum/Ex-Fälle, die als größter Steuerskandal unserer Zeit gelten. Sie brachte Täter vor Gericht und erstritt zahlreiche rechtskräftige, wegweisende Urteile. Für ihre Arbeit erhielt sie auch international Aufmerksamkeit und Anerkennung.
Die re:publica 25 steht unter dem Motto „Generation XYZ“. Was ist deine Botschaft für zukünftige Generationen in Bezug auf die digitale Gesellschaft?
Anne Brorhilker: „In der digitalen Gesellschaft hat nicht die lauteste Stimme automatisch Recht. Wir müssen zukünftige Generationen dazu befähigen, Informationen kritisch zu hinterfragen – wer sie verbreitet, mit welcher Absicht und auf welcher Grundlage. Nur so verhindern wir, dass diejenigen die Deutungshoheit übernehmen, die am meisten Geld oder Einfluss haben.“