Partnerschaftsgewalt: Was tun bei digitaler Überwachung?

Inga Pöting, Leena Simon

Summary
Was tust du, wen triffst du, wo finde ich dich? Gewalttäter*innen sind häufig in der Lage, das online herauszufinden – auch mit Hilfe spezieller Spionage-Apps. Beratungsstellen sind mit dieser digitalen Bedrohung bisher überfordert. Welche Ressourcen brauchen sie? Und was können wir als Gesellschaft tun, um das Problem sichtbar zu machen?
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Im Jahr 2019 wurden 114.903 Frauen Opfer gewaltsamer Übergriffe durch ihre Partner oder Ex-Partner. 28.906 Frauen waren von Stalking, Bedrohung oder Nötigung betroffen – doch Expert*innen schätzen, dass die Dunkelziffer sehr viel höher liegt. Längst spielen dabei Apps und Online-Dienste eine zentrale Rolle: Stalking bedeutet in fast allen Fällen auch Cyberstalking. (Quellen: polizeil. Kriminalstatistik 2019/FRIEDA-Frauenzentrum Berlin, 2017)

Überwachung mit digitalen Mitteln ist auf vielen Wegen möglich, das Spektrum reicht von gestohlenen Passwörtern bis hin zu hochentwickelten Spionage-Tools (Stalkerware). Inga Pöting hat entsprechende Leitfäden zur Gerätesicherung für Beratungsstellen erarbeitet und dafür Stalkerware, die frei auf dem Markt erhältlich ist, getestet und analysiert. Leena Simon kann als langjährige Mitarbeiterin des FRIEDA-Frauenzentrums Berlin aus der Praxis berichten: Welche Ressourcen brauchen Beratungsstellen, um dem Problem der digitalen Überwachung angemessen zu begegnen?

Die Erfahrung zeigt: Wer in Fällen von Cyberstalking die Opfer unterstützen möchte, muss sowohl technische als auch soziale Faktoren einbeziehen. Denn während Geräte und Online-Dienste immer komplexer werden, scheint sich ein neuer Technikpaternalismus zu etablieren. Der Großteil der Rat suchenden Frauen hat die eigenen digitalen Kommunikationsmittel nicht im Griff. Häufig hat der (Ex-)Partner das Gerät der Klientin eingerichtet und sie kann nicht einschätzen, welche Ausspähmöglichkeiten bestehen und ob der Bedroher längst davon Gebrauch macht.

Polizei und Justiz haben das Problem bisher nicht durchdrungen, weshalb Betroffene häufig durch den Rechtsstaat keine Unterstützung erhalten. Es fehlen Angebote zur forensischen Beweissicherung, Wissen bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Richter*innen, Unterstützung beim Melden illegaler Inhalte usw. Deshalb ist es auch eine Aufgabe der Politik, hier Grundlagen zu schaffen.

Mit dem Publikum möchten wir Beobachtungen und Erfahrungen aus dem eigenen Smartphone-Alltag diskutieren und Lösungsansätze finden: Wie können wir Frauen dazu zu befähigen, ihren digitalen Raum selbst zu gestalten und zu verteidigen?

Im Anschluss laden wir zum offenen Vernetzungstreffen zum Thema im FrauenComputerZentrumBerlin e.V. ein.

Profilbild von Leena Simon
Netzphilosophin, IT-Beraterin