#rp23 Keynote-Sprecherin Marlene Engelhorn: Über Reichtum, Macht und Demokratie.

27.02.2023 - Eine Millionenerbin im Einsatz für gerechte Besteuerung von Vermögen und Verteilungsgerechtigkeit.
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rp23-Keynote Sprecherin Marlene Engelhorn
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Lorena Sendic Silvera

Marlene Engelhorn (30) engagiert sich für Vermögenssteuern und Verteilungsgerechtigkeit - denn sie hat geerbt. In zweistelliger Millionenhöhe.

Sie ist Mitgründerin und Teil des Teams für Öffentlichkeitsarbeit bei taxmenow - einem Zusammenschluss vermögender Menschen, der Vermögens- und Erbschaftssteuern für die Reichsten fordert.

In ihrem 2022 erschienenen Buch „Geld” redet sie über eben dieses und fordert, dass wir alle es tun. Wie viel ist genug? Was ist das gute Leben für alle? Wie wollen wir teilen? In wessen Händen liegt das Recht, zu entscheiden? Wenn wir nachhaltige Antworten wollen, müssen wir uns persönlich sowie gesellschaftlich damit auseinandersetzen, was Geld eigentlich ist. Ein Druckmittel? Eine sichere Bank? Ein erstrebenswertes Ziel oder der direkte Weg ins Verderben? 

Marlene entwirft eine Vision, die zeigt, dass gerechte Umverteilung nur demokratisch wirken kann. 

Wir freuen uns auf spannenden Perspektiven und Diskussionen rund um #Cash, Macht und Demokratie - mit Marlene Engelhorn auf der #rp23.

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Lass uns über #CASH sprechen. Ein Interview mit Marlene Engelhorn.

Reichtum verpflichtet?! Zu was?

Reichtum verpflichtet zu nichts. Genau das ist das Problem. Teils befördert Reichtum Entsolidarisierungseffekte, denn Menschen mit Zugang zu Vermögen kann es egal sein, dass Reichtum auf Kosten der Gesellschaft geht: Ohne Gesellschaft gibt es kein Vermögen, ohne Ungerechtigkeit in der Verteilung gibt es keinen Reichtum, der Macht bündelt und von der nicht-reichen „Masse” abhebt. Gesellschaft geht alle etwas an, Steuern müssen von allen gezahlt werden, sodass Machtgefälle gar nicht erst anhand von Vermögen entstehen können, sondern die Interessen aller gewahrt werden. Eine Gesellschaft, die darauf hoffen muss, dass Vermögende Verpflichtung verspüren, liefert sich dem Wohlwollen der Vermögenden aus.

#CASH und Macht - wie erlebst du dieses Wechselspiel? 

Wir leben in einer Welt, die durch und durch finanzialisiert ist – Geld kann alles kaufen/regeln, wenn die richtige Menge vorhanden ist; außer ehrliche Beziehungen/Gefühle. Wenn Geld ungleich verteilt ist, ist auch Macht ungleich verteilt. Wer Geld hat, kann Parteien finanzieren, Lobbyismus bezahlen, die Wirtschaft gestalten, Zeitungen und Fernsehsender kaufen. Dem liegt etwas Feudales zu Grunde. Aber wir leben in einer Demokratie. Ungleiche Vermögensverteilung ist kein unumgänglicher Naturzustand, sondern die Konsequenz politischer Entscheidungen. Wir können uns auch auf eine Gesellschaft einigen, die Vermögen gerecht und Macht demokratisch verteilt.

Dir liegt das Thema “Vermögenssteuer” am Herzen. Erbe bedeutet allerdings nicht nur, Vermögen zu erhalten, gleichermaßen geht es auch um ein Vermächtnis einer Familie. Inwiefern spielt deine Familiengeschichte auch eine Rolle für deinen Einsatz für eine gerechtere Besteuerung deines künftigen Erbes?

Jeder Mensch hat eine Familie. Warum sollten die reichen Familien steuerlich begünstigt werden? Das verletzt den Gleichheitsgrundsatz und trägt zur Förderung des Geldadels bei – moderner Feudalismus. Außerdem sollte man sich die Familiengeschichten der Vermögensdynastien mal in Hinblick auf die Akkumulation der Vermögen anschauen. Wo kommt das Vermögen her? Wie kommen Familienunternehmen durch den zweiten Weltkrieg? Wie sind sie mit der Kolonialgeschichte, strukturellem Rassismus und Sexismus verbunden? Welche strukturellen/systemischen Vorteile genießen Unternehmen einer gewissen Größe? Warum ist ein Mensch durch Familienzugehörigkeit eher dazu berechtigt ein Unternehmen zu übernehmen als ein Mensch mit einem anderen Nachnamen? Soweit ich das beurteilen kann, merken die Menschen, dass es schlicht und ergreifend ungerecht ist, wenn sich Vermögen, die es ohne die gesamtgesellschaftliche Anstrengung und staatliche Struktur in Demokratien nicht gäbe, in den Händen einiger weniger Familien konzentrieren. 

Wie kann eine Vermögenssteuer zu mehr Verteilungsgerechtigkeit beitragen?

Vermögen zu besteuern, bedeutet, mit einem demokratischen Mittel das gesamte Verteilungssystem anzugehen. Arbeit könnte entlastet werden, Vermögen könnten umverteilt werden, sodass Einzelpersonen keine illegitime Macht anhäufen. Vermögen bedeutet Macht. Das muss besprochen werden. Je mehr wir in aller Klarheit das Problem besprechen und von allen Seiten beleuchten, umso besser können wir es lösen. Dafür müssen aber alle Menschen, die es etwas angeht, wie unsere demokratische Gesellschaft ausschaut, eingebunden werden. Gerade die Multiperspektivität gibt uns die Möglichkeit, nachhaltige Lösungen für das Verteilungsproblem zu finden.

Der Countdown bis zur re:publica 23 läuft. Auch wenn noch vieles passieren wird, gibt es etwas, worüber du mit anderen auf der #rp23 diskutieren möchtest?

Ich möchte über Geld sprechen. Und über Macht. Die wenigsten verstehen, was es heißt, vermögend zu sein – mitunter weil sie es nicht sind. Ich will diesen Einblick mitbringen, die Klassenprivilegien meiner Klasse beleuchten.

Im Sinne von unserem Motto CASH - was sind deine aktuellen Lese-/ Podcast- oder Videoempfehlungen?

Der Youtube-Channel: Garys Economics von Gary Stevenson; das Buch: Der Code des Kapitals von Katharina Pistor; das Buch: Überreichtum von Martin Schürz; das Buch: Wealth Hoarders von Chuck Collins; das Buch: Zugang verwehrt von Francis Seeck; das Buch: Armut von Daniela Brodesser; das Buch: Wir Erben von Julia Friedrichs; sämtliche Filme von Julia Friedrichs; das Buch: We need to talk about money von Otegha Uwagba. Und das Buch: Caliban und die Hexe von Silvia Federici.