Dann machen wir die Statistik halt selber! Die Landinventur als Werkzeug zur Ermächtigung von Dörfern und Regionen

Eleonore Harmel, Mathias Burke

Zusammenfassung
Wieviel Handwerksbetriebe, Selbstversorgergärten oder engagierte Menschen gibt es auf Dörfern? Mit der Landinventur erheben die Menschen vor Ort solche Daten selbst und tragen zu einem neuen Bild vom Land bei. Dieses Tool an der Schnittstelle von Critical Mapping, Citizen Science und lokaler Zukunftswerkstatt wollen wir euch vorstellen.
Kurz-Vortrag
Deutsch
Conference

Die Landinventur versucht, ein radikal neues, alltagsnahes und datenbasiertes Bild des Landes zu entwickeln - und das für ganz Deutschland. Die Idee ist einfach: die Bewohner*innen selbst sind die Experten für ihr Dorf. Sie zählen beispielsweise Pendler*innen, Gebäudetypen, engagierte Gruppen und kartieren Betriebe oder Orte der Gemeinschaft. Sie produzieren damit akkuratere, aktuellere und relevantere Daten über Ihr Dorf als klassische Statistiken. Damit dies gelingt, wurde die Idee der Inventur von Beginn an ko-kreativ mit Dorfbewohner*innen entwickelt. Daraus sind Leben, Ernten, Wirtschaften und Engagement als Themenbereiche entstanden, zu denen in jedem Dorf in Deutschland gezählt und kartiert werden kann.

Warum braucht es solche neuen Daten? Wer sich wissenschaftlich mit ländlichen Räumen beschäftigt merkt schnell: Statistiken, insbesondere raumbezogene Daten, sind rar und gleich mehrfach unzureichend. Oft fließen Erkenntnisse tausend unterschiedlichster Einheiten in einen Datenpunkt ein, dazwischenliegende Datenlücken werden großzügig interpoliert. Die Daten sind veraltet: Es ist nicht ungewöhnlich mit Daten zu arbeiten, die vor Jahren veröffentlicht und noch früher erhoben wurden. Und sie sind in der Auswahl der Indikatoren auch nicht objektiv: Der Osten Deutschlands erscheint als generell strukturschwach mit schlechten demografischen Aussichten. Was und vor allem was nicht gezählt wird, zeugt von einer städtischen Perspektive mit mangelndem Verständnis für die Lebenswirklichkeit vor Ort. Das ist tückisch, denn auf diesen Datengrundlagen beruhen politische Entscheidungen, Fördermittelvergaben und auch das öffentlich-mediale Bild über ländliche Räume. 

In dieser Session erfahrt ihr, wie ein solches Projekt gelingen kann. Denn Wissenschaft muss sich verändern, um solche Projekte stemmen und die Chancen der Digitalisierung nutzen zu können. Wir haben gelernt, dass es an der Schnittstelle unterschiedlichster Disziplinen und Fähigkeiten ein neues Mindset braucht: ernsthaft, offen, praxisnah, kreativ und kollaborativ. Die Landinventur ist ein Prototyp wie Gesellschaft, Wissenschaft und Digitalisierung zusammenwirken können.