Das Ethos der Tech Workers: Formation einer digitalen Mittelklasse

Das Ensemble von Programmier*innen, Data Scientists, UX-Designer*innen und anderen digitalen Professionen ist bisher kaum untersucht. In der öffentlichen Imaginationen dominiert das Bildnis von ihnen als Nerds oder passiver Gefolgschaft der schillernden Tech-Unternehmer*innen. Diesem Stereotyp möchte der Vortrag mit Ergebnissen aus meiner soziologischen Promotionsstudie über "tech workern" entgegentreten. Aufbauend auf über 50 Interviews mit tech workers in den USA und Deutschland rekonstruiere ich die Genese einer Kultur der Post-Nerdiness, Achtsamkeit und Sozialkritik. Die meisten tech worker sind keine unternehmerischen Selbste, sondern achtsam-moralische Subjekte, die nach einer sozialgerechteren und diverseren Gesellschaft streben. Aufbauend auf diesem distintinktiven Ethos sowie ihren relativ hohen Beständen an ökonomischem Kapital konstituieren tech worker eine digitale Mittelklasse.

Gleichzeitig wird der Vortrag auf unbeabsichtigte Folgen und Fallstricke der Emanzipationsbestrebungen von tech workern eingehen. Neben neuen moralischen Klassengrenzen besteht die Gefahr, dass das Ethos der tech worker in einen neuen Geist des Kapitalismus münden könnte. Es wird aufgezeigt, dass Tech-Unternehmen die Sozialkritik und die Achtsamkeit in ein kapitalistisches Spiel der Differenzen und Pseudo-Mindfulness vereinahmen wollen. Politisch bedarf es daher, die emanzipatorischen Bestrebungen der tech workers mittels institutioneller Ressourcen zu unterstützen und festigen.

Nach dem Vortrag, welchen ich frei und Zuschauer*innen-orientiert halten werde, freue ich mich in die Diskussion mit dem Publikum zu treten. Hier besteht die Möglichkeit für Nachfragen sowie die Auslotung von Möglichkeitskorridoren, um das emanzipatorische Ethos des tech workers zu forcieren und eine Vereinnahmung strategisch zu kontern.