Denken in Generationen gegen Denken der Geschichte

Diedrich Diederichsen

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Zusammenfassung
Wer in Generationen denkt, hat den Begriff der Geschichte eigentlich schon aufgegeben. Dies zeigt sich, wenn man Entwicklungen in der Pop-Musik nicht als auf einander bezogene Negationen liest, sondern als eine Abfolge von technischen Neuerungen, Wiederentdeckungen und allenfalls ödipalen Akten.
Stage 3
Vortrag
Deutsch
Conference

Geschichtsschreibung setzt Geschichtsphilosophie voraus. Die meisten Geschichtsphilosophien wirken unmarkiert im Hintergrund und strukturieren Begriffe und Zusammenhangsbildung, ohne sich zur Diskussion zu stellen. Sie scheinen für eine natürliche Sukzession zu stehen. Das Denken in Generationen, mithin die Erklärung menschengemachter Abläufe mit quasi-biologischen Kategorien, ist ein Musterbeispiel dafür. Annahmen wie die Permanenz von Ödipus-Komplex und Vatermord tragen ihren Teil dazu bei. Wer in dieser Weise in Generationen denkt, hat den Begriff der Geschichte eigentlich schon aufgegeben.

Dies wird deutlich, wenn man die Entwicklungen in der Pop-Musik (und anderen Künsten) nicht mehr als auf einander bezogene bestimmte Negationen liest, sondern nur noch als eine Abfolge von technischen Neuerungen, Wiederentdeckungen und solchen ödipalen Akten. Zugleich ist der Gegenbegriff bzw. die Vorstellung, der/die die Geschichte kultureller Formen ausschließlich als auf einander bezogene Gegenentwürfe beschreibt, die sich dialektisch zu einem wie auch immer gearteten künstlerischen und/oder kulturellen Fortschritt aufschwingen, ebenfalls eine Mystifikation.

Was man dagegen denken lernen muss, ist wie die tatsächlich fortschrittliche Lösung eines künstlerischen oder intellektuellen Problems stattfinden kann, ohne dass sie eine Auswirkung auf die Praxis hat. Das Schicksal der von Otto Karl Werckmeister beschriebenen Intellektuellen und Künstler der 1970er Jahre, die tatsächlich in einer bestimmten historischen Lage das Richtige taten und dachten, ohne gehört zu werden, trifft heute auf die große Mehrheit kultureller Produzent_innen zu.