Im Wald vor lauter Bäumen - Komplexität und Anti-Disziplinäre Wissenschaft

In einer vernetzten Welt müssen wir vernetzt denken und komplexe Phänomene wie Pandemien, Klimakollaps und die Destabilisierung von Ökosystemen als Ganzes in den Blick nehmen. Der Komplexitätswissenschaftler Dirk Brockmann sucht nach Mustern, Gesetzmäßigkeiten und Ähnlichkeiten in oberflächlich ganz verschiedenen Systemen. 

Fundamentale, natürliche Prozesse und Strukturen wie Synchronisation, kollektives Verhalten, Kipppunkte, Kritikalität, komplexe Netzwerke und Kooperation folgen oftmals überraschend einfachen Regeln. Die Kunst besteht darin, diese Regeln zu erkennen, das Essentielle von dem Unwichtigen zu trennen und die verbindenen Elemente sichtbar zu machen. Was haben Vogelschwärme mit Phantomstaus zu tun? Was können wir von der Embryonalentwicklung komplexer Organsimen über die Klimakatastrophe lernen? Wieso gibt es keine einzige Tier- oder Pflanzenart, die nicht in symbiotischer Beziehung zu Hunderten oder Tausenden Arten von Mikroorganismen steht? Wieso sind Kooperation und dynamisches Gleichgewicht schon seit Hunderten von Millionen Jahren die fundamentalen Naturprinzipien, und nicht Wachstum und Wettstreit? Welche Verbindung besteht zwischen unserem Mikrobiom und dem weltweiten Finanzsystem, oder zwischen Magneten und meinungspolarisierten Gesellschaften?

Diese Fragen kann man nur stellen (und manchmal beantworten), wenn man anti-disziplinär denkt, vorsätzlich Grenzen zwischen traditionellen Wissenschaftdisziplinen ignoriert und überschreitet, exploratorisch unterwegs ist, wenn man Situationen sucht, in denen man nicht Expert:in ist. "If you are the smartest person in the room, you are in the wrong room", "Science is the belief in the ignorance of experts", zwei Zitate des Nobelpreisträgers und Physikers Richard Feymann sind die Leitmotive einer anti-disziplinären Wissenschaft.