#rp24-Sprecherin Stella Nyanzi: Über Widerstand und Menschenwürde

25.03.2024 - Stella ist eine regimekritische Dichterin und Aktivistin aus Uganda – und setzt sich für freie Meinungsäußerung, digitale Rechte, Internet-Demokratie und Online-Freiheiten ein.
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Stella Nyanzi trägt ein Tuch um den Kopf. Sie blickt nach links unten ins Bild.
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Rick Burger Photography, Berlin – www.rickburger.com

„My Facebook posts may be tacky, / But they grab the balls of the tyranny. […] My pen never stops writing; / I will write myself to freedom!“ Stella Nyanzi schrieb diese Zeilen zwischen 2019 und 2020 aus dem Luzira-Frauengefängnis in Kampala. Wegen ihrer in den sozialen Medien veröffentlichten regimekritischen Schriften war sie damals bereits zum zweiten Mal im Hochsicherheitstrakt inhaftiert: Sie hatte den Präsidenten von Uganda, Yoweri Kaguta Museveni, in einem Gedicht beleidigt.

Noch während Stella im Gefängnis saß, wurde der erste Teil ihrer gefeierten Gedichtsammlung „No Roses From My Mouth“ veröffentlicht und auf sozialen Medienplattformen unter dem Hashtag #45Poems4Freedom geteilt. Nach ihrer Entlassung floh sie aus Sorge um ihre Sicherheit Anfang 2021 für einige Zeit nach Kenia. Seit 2022 lebt sie dauerhaft im Exil in Deutschland. Auch von dort meldet sich Stella Nyanzi auf Social Media-Plattformen zu Wort und verfasst Gedichte mit beißendem Humor, um die Missstände in Uganda anzuprangern.

Für ihren Aktivismus spielen digitale Plattformen schon immer eine zentrale Rolle: Nachdem sie 2016 den Zugang zu ihren Büroräumen im Makerere Institute of Social Research (MISR) verlor, zog sie sich auf dem Institutsgelände nackt aus und veröffentlichte Fotos der Protestaktion auf ihrer Facebook-Seite. Damit steht sie in einer Tradition des radikalen afrikanischen Protests, der den Körper nutzt, um Ungerechtigkeiten und Unterdrückung anzuprangern. In akademischen Kreisen und unter LGBTIQA+-Aktivist*innen ist die medizinische Anthropologin vor allem für ihre herausragenden wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema Sexualität bekannt und gilt als führende Autorität auf dem Gebiet der African Queer Studies oder Queer African Studies. Sie hat außerdem zahlreiche Publikationen zum Thema sexuelle und reproduktive Gesundheit veröffentlicht.

Stella Nyanzi ist Stipendiatin des Writers-in-Exile-Programms des PEN-Zentrums Deutschland und Fellow des Center for Ethics and Writing, das gemeinsam vom Bard College und der Artists at Risk Connection des PEN America organisiert wird. Als Oppositionspolitikerin gehört sie der Partei Forum for Democratic Change in Uganda an. 2018 wurde sie von Solidarity Uganda für ihr Engagement für Menschenrechte ausgezeichnet, und 2020 erhielt sie den PEN International Award für Freedom of Expression.

Auf der #rp24 freuen wir uns auf inspirierende Einblicke in Stellas Aktivismus und in das Leben von LGBTIQA+ Menschen und Dissident*innen, die in Diktaturen leben.

 

 

#WhoCares: Ein Interview mit Stella Nyanzi.

Das Motto der re:publica 24 lautet „Who Cares?“. Um wen oder was kümmerst du dich gerade?

Derzeit beschäftige ich mich mit der Frage, wie wir unsere Freiheiten, die Menschenwürde und die Gleichberechtigung aller Bürger*innen, die in meinem Heimatland Uganda unter einer aggressiven Diktatur leben, wirksam zurückfordern können. Ich bin zutiefst besorgt über das Wohlergehen und die Sicherheit von LGBTIQA+ Menschen, die der ugandischen Homophobie ausgesetzt sind. Diese hat unter anderem das Anti-Homosexualitätsgesetz (2023) hervorgebracht, das neben mehreren anderen Strafen die Todesstrafe und lebenslange Haft vorsieht. Und ich setze mich leidenschaftlich für die freie Meinungsäußerung ein, welche die unterdrückerische Macht bewusst ablehnt und kritisiert.

Worum kümmern wir uns zu wenig als Gesellschaft?

Als Gesellschaft sorgen wir uns zu wenig um Menschen, die sich von uns unterscheiden – sei es aufgrund der Nationalität, ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Spiritualität, Klasse; des sozialen Status, Bildungsstands, Berufes, Alters; der Generation, Geschlechtervielfalt, sexuellen Orientierung, Fähigkeiten usw. Unterschiede erleichtern Gleichgültigkeit, Ablehnung und Entmenschlichung.

Gibt es eine Person, Bewegung oder Institution, die dich beeindruckt, da sie sich für etwas besonders einsetzt?

Zwei tote Anführerinnen, die beide wegen ihres Einsatzes gegen repressive Regierungen im Gefängnis saßen, inspirieren mich. Es handelt sich um die ägyptische Dissidentin und Autorin Nawal el Saadawi, und die kenianische Gründerin des Green Belt Movements, Wangari Maathai. Sowohl Nawal als auch Wangari haben entgegen aller Widerstände den repressiven Machthabern gegenüber immer wieder regimekritische Wahrheiten ausgesprochen.

Worüber möchtest du auf der re:publica sprechen?

Ich möchte fragen, wer sich um LGBTIQA+ Menschen und Dissident*innen kümmert, die in homophoben Diktaturen wie Uganda leben, und warum wir uns darum sorgen sollten.