Die 5G-Apokalypse: Blick auf ein Digital Wildfire und seine Entstehung

Daniel Thilo Schroeder, Stefan Brenner

Zusammenfassung
Die Einführung neuer Technologien ist oft Anlass, alte Verschwörungsmythen aufzuwärmen. Hierbei wirken Soziale Netzwerke, in denen sich diese Mythen weiterentwickeln, wie Evolutionsbeschleuniger. Wir zeigen die Ergebnisse aus drei Jahren Forschung mit einigen Milliarden Tweets und erklären, was das alles mit einer weltweiten Brandserie zu tun hat.
Vortrag
Deutsch
Conference

Die Vorstellung, dass von Mobilfunknetzen schädliche elektromagnetische Strahlung ausgeht, ist nicht neu. Während ionisierende Strahlung, also Röntgen-, Alpha-, Beta-, Gamma- oder Neutronenstrahlung, ein Gesundheitsrisiko darstellen kann, gelten geringe Dosen nicht-ionisierender Strahlung, wie sie von Funk- oder Mobiltelefonen ausgeht, als unbedenklich. Dennoch werden ihre angeblichen Gefahren unter Verschwörungsgläubigen weiterhin propagiert. Die Einführung neuer Mobilfunktechnologien, wie z. B. die Einführung des 5G-Standards, wird häufig genutzt, um alte Verschwörungsnarrative wieder aufzuwärmen, und die sozialen Medien werden hierbei zum Evolutionsbeschleuniger, in dem sich diese Narrative weiterentwickeln.

Ereignisse, bei denen selbstverstärkende Effekte in sozialen Online-Netzwerken gefährliche Auswirkungen haben, die über die Grenzen des virtuellen Raums hinausgehen, bezeichnen wir als Digital Wildfires. Ausgelöst werden sie durch sich schnell verbreitende, kontrafaktische Informationen, die rasant ins öffentliche Bewusstsein dringen, bevor sie zu ernsthaften, negativen Auswirkungen in der physischen Welt führen.

Am 21. Januar 2020, fast zwei Monate bevor die WHO COVID-19 zur Pandemie erklärte, erschien ein Tweet mit dem Text: "China is 5G now & working toward 6G. Wireless radiation is an immunosuppressor. Conincidence?". Der Tweet löste kaum direkte Reaktionen aus, aber in den folgenden Tagen erschien eine Reihe ähnlicher Tweets. Ihre Zahl wuchs stetig, und etwa zehn Wochen später, Anfang April 2020, begann eine Reihe von Brandanschlägen auf Mobilfunkmasten. Sie markierten den Kipppunkt, an dem die Falschinformation über schädliche Mobilfunkstrahlung zu einem Digital Wildfire wurde, das noch heute kritische Kommunikationsinfrastrukturen weltweit beeinträchtigt und gefährdet.

Wir geben einen Einblick in drei Jahre Forschung und zeigen, wie zukünftige Digital Wildfires so früh wie möglich erkannt werden könnten. Außerdem vermitteln wir ein Verständnis für das Grundkonzept von Digital Wildfires und zeigen, dass diese Ereignisse nicht aus dem Nichts kommen, sondern dass es Akteur*innen gibt, die den Weg zur Eskalation ebnen.

Daniel Thilo Schroeder
Research Scientist / Associate Professor
Stefan smiling into the camera.
Researcher (Medienwissenschaften)