#rp23 Keynote-Sprecher Surjo Soekadar: Neurotechnologie und KI – was kommt auf uns zu?

11.04.2023 - Der Professor für Klinische Neurotechnologie setzt auf künstliche Intelligenz bei der Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen.
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Surjo im Anzug
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Pablo Castagnola

Surjo Soekadar (45) entwickelt und erforscht innovative Neurotechnologien, um die Lebensqualität von Menschen mit neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen zu verbessern. Neurotechnologien sind technische und computergestützte Werkzeuge, die Hirnsignale analysieren oder in der Lage sind, die Hirnaktivität gezielt zu verändern. 

Mit seiner bisherigen Forschung konnte Surjo beispielsweise Querschnittsgelähmten ermöglichen, mithilfe eines hirngesteuerten Hand-Exoskeletts – einer Art Stützstruktur – erstmals wieder selbständig zu essen und zu trinken. Menschen, die an schweren Depressionen oder Zwangsstörungen leiden, können durch die gezielte Beeinflussung des Gehirns mit Magnetfeldern behandelt werden. 

Insbesondere in Kombination mit Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) können diese Technologien nicht nur neue Behandlungsmethoden eröffnen oder Lebensqualität verbessern, sondern auch komplexe ethische Fragen aufwerfen. Daher setzt Surjo sich intensiv mit diesen Fragen auseinander und möchte zu einem möglichst breiten öffentlichen Diskurs beitragen.

Surjo R. Soekadar ist Professor für Klinische Neurotechnologie an der Charité-Universitätsmedizin Berlin, gefördert durch die Einstein Stiftung Berlin. Für seine wissenschaftliche Arbeit, die auch vom Europäischen Forschungsrat (ERC) gefördert wird, hat Surjo Soekadar zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter den International BCI Research Award und die BIOMAG und NARSAD Young Investigator Awards.

Wir freuen uns auf spannende Perspektiven und Diskussionen rund um Neurotechnologie und KI mit Surjo Soekadar auf der #rp23.

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Lass uns über #CASH sprechen. Ein Interview mit Surjo
Soekadar.

Woran arbeitest du derzeit? Worüber würdest du gerne auf der re:publica 23 diskutieren?

Mein Team und ich arbeiten gerade an einer neuen Generation von Gehirn-Computer-Schnittstellen, die eine direkte Interaktion zwischen Gehirn und Maschine in beide Richtungen erlauben sollen, und zwar völlig kontaktlos über Magnetfelder. Aktuell wird viel über implantierbare Schnittstellen berichtet, z.B. über die Ansätze von Neuralink oder Synchron. Zwar hat eine Implantation den Vorteil, dass die Schnittstelle 24/7 einsatzbereit und unsichtbar ist, aber die Risiken von Blutungen und Infektionen ist nicht zu vernachlässigen. Zudem ist unklar, was passiert, wenn der Hersteller plötzlich pleite geht. Das Ganze ist also wirklich nicht massentauglich, sondern nur für wenige, die keinen anderen Weg haben sich mitzuteilen oder komplett gelähmt sind – wie zum Beispiel beim Locked-in-Syndrom, also einer totalen Bewegungs- und Sprachlosigkeit bei völligem Bewusstsein. 

Außerdem müssen wir davon ausgehen, dass der dauerhafte Einsatz von Assistenzsystemen oder sogenannter augmentativer Technologien außerhalb medizinischer Anwendungen zu negativen Effekten führen kann. Ein Beispiel: Durch die Verfügbarkeit von GPS auf unseren Smartphones sind wir beispielsweise fast nicht mehr in der Lage, uns ohne Handy zu orientieren. Der Schuss kann also nach hinten losgehen. 

Als wir unsere nicht-invasiven Gehirn-Computer Schnittstellen regelmäßig zur Assistenz, zum Beispiel zur Steuerung eines Exoskeletts bei Handlähmung, eingesetzt haben, konnten wir etwas Überraschendes feststellen: Nach einem Monat konnte ein Teil der Patient*innen wieder selbständig greifen. Ich sehe also das Potential dieser Technologie weniger in der dauerhaften Assistenz, sondern in den Möglichkeiten, Erholungsprozesse im Gehirn anzustoßen.

Rund um welches Thema in deinem Feld gibt es derzeit zu viel Hype bzw. Missverständnisse? 

Die meisten Menschen halten das Gehirn für einen Computer, der nach den gleichen Prinzipien funktioniert wie unser Laptop oder Smartphone. Die Wahrheit ist: Wir wissen nicht einmal, wie Informationen im Gehirn repräsentiert sind. Das macht das Auslesen von Informationen natürlich sehr schwierig. Aktuell haben wir weniger das Problem, Signale aus dem Gehirn auszulesen, sondern vielmehr diese Signale sinnvoll zu interpretieren. Grundsätzlich freue ich mich, dass Neurotechnologie so viel Aufmerksamkeit bekommt, allerdings sehe ich die Gefahr, dass übertriebene Erwartungen enttäuscht werden.

Hast du zum Themenfeld Neurotechnologie und KI aktuelle Video- oder Podcastempfehlungen?  

How neurotechnology could endanger human rights“ von Allan McCay beim TEDxSydneySalon, „Are brain implants the future of computing?“ von The Economist, sowie der „Neurotech Podcast“ von Loup Ventures.

Hybridmind: Wenn Maschinen mit dem Gehirn verschmelzen

Surjo Soekadar

Zusammenfassung
Eine Reise in unser Gehirn: Wie können innovative Neurotechnologien die Lebensqualität von Menschen mit neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen verbessern? Ein Einblick in die Neurotechnologie und wie durch technische und computergestützte Werkzeuge unsere Hirnsignale analysiert und unsere Hirnaktivität gezielt verändert werden kann.

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